Blick ins deutschsprachige Ausland: Österreich
Studien zur Mehrsprachigkeit, die während der letzten Jahre an Schulen in Österreich durchgeführt wurden, zeigen, dass Dialekt an den Bildungsinstitutionen nach wie vor gesprochen wird und eine wichtige Rolle spielt. Die Situation ist jedoch nicht homogen. Zum einen kann ein Ost-West-Gefälle beobachtet werden – im Westen ist die dialektale Sprechweise relativ am stärksten in der Bevölkerung verankert. Zum anderen findet man das Phänomen, dass in ländlichen Regionen dialektaler gesprochen wird als in städtischen.
Die Varietäten Dialekt–Standardsprache bzw. auch Sprachformen dazwischen werden an den Schulen in unterschiedlichen Situationen verwendet; es kommen ihnen dementsprechend jeweils andere Funktionen im schulischen Alltag zu. Von Lehrpersonen wird dialektales Sprechen eher für Disziplinäres und Organisatorisches verwendet. Schülerinnen und Schüler verwenden vor allem in den Pausen, aber auch in Gruppenarbeiten und im Lehrer-Schüler-Gespräch Dialekt. Allein bei Referaten wird fast immer Standarddeutsch gesprochen.
Allgemein kann festgestellt werden, dass an den Schulen in Österreich fachliche bzw. formellere Äußerungen eher in standardnahen Formen realisiert werden; bei emotionalen, nähesprachlichen Äußerungen hingegen, bei jenen also, die eher auf der Beziehungsebene angesiedelt sind, greift man vermehrt auf Dialekt oder dialektal gefärbte Umgangssprache zurück.
Diese gängigen Sprachverwendungsmuster haben auch Einfluss auf unsere Einstellungen zu den Varietäten. So kommt dem Dialekt als typischer Nähesprache zwar ein hoher Stellenwert auf der Dimension der sozialen Attraktivität zu, auf der Status- bzw. Kompetenzebene wird ihm ein solcher aber tendenziell weniger zu-, wenn nicht sogar abgesprochen. Dialekt – das heißt die Erstsprache vieler Schülerinnen und Schüler – wird somit nach wie vor häufig als keine voll funktionsfähige, linguistisch gleichwertige Sprachform angesehen. Da der Schule beim Aufbau von Einstellungen eine zentrale Rolle zukommt, würde es nicht zuletzt eine wichtige Aufgabe darstellen, dahingehend Sprachbewusstheit zu fördern und solche stereotypen Sichtweisen zu reflektieren und kritisch zu hinterfragen.
In den Lehrplänen für das Unterrichtsfach Deutsch wird – von der Grundschule bis in die Sekundarstufe II – selten explizit der Dialekt oder eine „isolierte“ unterrichtliche Beschäftigung damit erwähnt. Eine Auseinandersetzung mit der Thematik soll demnach eher im Sinne eines Gesamtkonzepts ‚innere Mehrsprachigkeit‘ erfolgen. Bereits in der Grundschule sollen eigene Ausdrucksformen mit der Standardsprache verglichen und voneinander unterschieden werden. In den weiterführenden Schulen geht es vermehrt darum, die situations- und adressatenangemessene Verwendungsweise der unterschiedlichen Varietäten zu reflektieren. Mehrsprachigkeit soll folglich als wertvolle Ressource aufgefasst werden.
Verfasserin: Mag. Cordula Pribyl-Resch
Der Blick, den wir in andere Bundesländer und ins weitere deutschsprachige Ausland werfen, wird weiter ausgeweitet werden.